Mit dem Myelom im Gepäck durch das Leben
Workshop „Achtsamkeit und das Myelom“ im Bildungshaus Schloss St. Martin, Graz
Zahlreiche neue Therapien beim Multiplen Myelom verlängern das progressionsfreie Überleben deutlich, und immer mehr Patientinnen und Patienten leben Dank dieser Fortschritte jahrelang mit der Erkrankung. Diese Zeit wird oft als Geschenk empfunden, bringt aber zugleich persönliche und soziale Herausforderungen im Alltag mit sich, sowohl in der eigenen Sicht auf sich selbst, in Beziehungen, in der Partnerschaft und Familie, als auch im Beruf.
Mit den genannten Herausforderungen umzugehen und das Multiple Myelom als ständigen Begleiter so weit in das eigene Leben zu integrieren, dass ein gutes Leben dennoch möglich bleibt, ist der zentrale Ansatzpunkt einer speziellen Seminarreihe. Diese Veranstaltungen werden von der Multiples Myelom Patienten Selbsthilfegruppe bereits im vierten Jahr angeboten und richten sich an Betroffene und Angehörige, die lernen möchten, mit den Auswirkungen der Erkrankung im Alltag besser umzugehen. Ziel der Seminarreihe ist, Wege aufzuzeigen, wie trotz der Belastungen und Einschränkungen, die das Myelom mit sich bringt, die Lebensqualität erhalten und gestärkt werden kann.
Vom 10. bis 12. Oktober fand bei prachtvollem Herbstwetter, im historischen Renaissance Schloss St. Martin in Graz, der Workshop zum Thema „Achtsam durchs Leben mit dem Myelom“ statt. Über zwanzig PatientInnen und Angehörige kamen aus dem Osten und Süden Österreichs zusammen, um von Freitagabend bis Sonntagmittag, krankheitsbezogene Impulse, sanfte Bewegungs- und Atem-Übungen, Meditationen und praktische Tipps zum Umgang mit der Erkrankung kennenzulernen.
Großes Interesse fanden die Vorstellung neuester wissenschaftliche Erkenntnisse zu Achtsamkeit und Schmerz, Achtsamkeit und chronischer Erkrankung und Achtsamkeit und Krebs. Die neurobiologische Evidenz über die Vorteile der Meditation haben dazu geführt, dass sie in zahlreiche klinische Interventionen integriert wurde, von der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion (MBSR) bis hin zur Behandlung von Depressionen, Angstzuständen und chronischen Schmerzen.
Wie Prof. Dr. Christian Beste von der TU Dresden, in seiner Forschung zur kognitiven Neuroplastizität* feststellt, bieten Achtsamkeitsinterventionen im klinischen Umfeld einzigartige Vorteile, da sie die Patienten aktiv in ihren eigenen Heilungsprozess einbeziehen und gleichzeitig messbare neurobiologische Veränderungen bewirken. Diese beiden Merkmale machen meditationsbasierte Ansätze besonders wertvoll für Erkrankungen, die sowohl von psychologischer als auch von neurologischer Unterstützung profitieren.
In der Praxis, werden meist acht Wochen dauernde Kurse, zusätzlich zur medizinischen Behandlung angewandt. Programme wie Achtsamkeitsbasierte Stress-Reduktion für Schmerz (MBSR-Pain), Breathworks Mindfulness (UK), Mindfulness-Based Cancer Recovery (MBCR) und Achtsamkeit und Krebs (MBCT-Cancer) wenden sich spezifisch diesen Themen zu.
In Rollenspielen und mit interaktiven Übungen wurden Krebs-relevante Themen, wie der Umgang mit schwierigen Emotionen wie Angst und Verzweiflung, die Rolle von Hoffnung, die Bedeutung von Freundlichkeit, Fürsorglichkeit und Mitgefühl dem eigenen Körper gegenüber, Zuwendung statt Widerstand und die Wahrnehmung der Gegenwart mit viel Humor vermittelt. Es wurde geübt, beim Schmerz oder dem Unangenehmen zu bleiben, um alle Facetten der Körperempfindungen, der entstehenden Gefühle und Gedanken, sowie das Verhalten aus einer Beobachter-Rolle (wenn möglich) zu betrachten, um die gesamte Erfahrung wahrzunehmen.
Der bekannte amerikanische Achtsamkeitslehrer und Autor Jon Kabat-Zinn schreibt in seinem Buch „Achtsam mit dem Schmerz“: „In diesem Leben mag zwar der Schmerz manchmal unausweichlich sein, das Leiden hingegen – das heißt, wie wir mit dem Schmerz umgehen – ist eine Wahl“.
Bereichert mit vielen Werkzeugen und persönlichen Einsichten, verabschiedeten sich die TeilnehmerInnen in großer Verbundenheit voneinander, im Vertrauen die Tücken der Erkrankung mit einer neuen, veränderten Einstellung und Mini-Interventionen zu begegnen.
Dieser Workshop setzte sich aus Elementen des Achtsamkeits-basierten Schmerz Management Programms (Kabat-Zinn), Breathworks Mindfulness UK (Vidyamala Burch), Mindfulness for Cancer (Trish Bartley) und Atem- und Körperübungen aus dem Yoga zusammen. Die intensive Auseinandersetzung der Autorin mit der Thematik sowie zahlreiche einschlägige Ausbildungen, hat ein mittlerweile erprobtes Format der komplementären Selbsthilfe für Multiples Myelom PatientInnen im Umgang mit Krebs und Schmerz entstehen lassen.
Mein persönlicher Dank gilt dem Organisator für dieses Format, das Myelom PatientInnen und Angehörigen für eine bessere Lebensqualität angeboten wird.
Weiterführende Literatur
Bartley Trish: Mindfulness – a kindly approach to being with Cancer (2017), Wiley Blackwell
Bartley Trish: Mindfulness-Based Cognitive Therapy for Cancer (2012), Wiley Blackwell
Carlson Linda: Mindfulness-Based Cancer Recovery – A Step-by-Step MBSR Approach to Help You Cope with Treatment and Reclaim Your Life (2010), New Harbinger Publications
Kabat-Zinn Jon: Achtsam mit dem Schmerz. Das MBSR-Programm bei chronischen Schmerzen (2023), O.W.Barth.
Kabat-Zinn Jon: Schmerz – Meditationen zum Umgang mit chronischen Schmerzen (2016), arbor Verlag
Penman Danny, Vidyamala Burch: Schmerzfrei durch Achtsamkeit: die effektive Methode zur Befreiung von Krankheit und Stress (2020), Rowohlt Verlag
*https://pressnetwork.de/the-neuroscience-of-mindfulness-meditation-how-regular-practice-enhances-brain-health/


















